AfD-Reise zu US-Republikanern: Zwischen Netzwerkpflege und „Anti-Deutschland-Diplomatie"
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Transatlantische Allianz: Die AfD intensiviert ihre Kontakte zur republikanischen Partei unter Donald Trump systematisch.
In dieser Woche reist eine 20-köpfige Delegation der AfD in die USA. Ziel sind Washington und New York, wo die Abgeordneten Kontakte zu Präsident Trumps Republikanern pflegen wollen. Während die AfD von „stabilen Partnerschaften" spricht, wirft die Union der Partei vor, im Ausland „Stimmung gegen Deutschland" zu machen. Der Zeitpunkt ist brisant: Nur wenige Tage zuvor hatte die Trump-Regierung eine Sicherheitsstrategie veröffentlicht, die Europa massiv kritisiert und „patriotische Parteien" unterstützen will.
Die wichtigsten Punkte
- 20 AfD-Politiker aus Bundestag, EU-Parlament und Landtag Sachsen-Anhalt reisen vom 11. bis 14. Dezember in die USA. [Tagesspiegel]
- Auszeichnung für Frohnmaier: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Markus Frohnmaier erhält den „Allen W. Dulles Award" des New York Young Republican Club. [Junge Freiheit]
- Finanzierung: Die Reise der Bundestagsabgeordneten wird als Delegationsreise vom Bundestag bezahlt – also durch Steuerzahler. [news.de]
- US-Sicherheitsstrategie: Am 5. Dezember veröffentlichte die Trump-Regierung eine Strategie, die Europa massiv kritisiert und „patriotische europäische Parteien" unterstützen will. [taz]
- Scharfe Kritik: CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann spricht von „Anti-Deutschland-Diplomatie", CDU-Politiker Knut Abraham warnt vor einem „diabolischen Zusammenwirken". [Tagesspiegel]
Hintergrund: Wer reist wann und wohin?
Die AfD-Delegation ist in mehrere Gruppen aufgeteilt. Bereits seit Montag befinden sich die Bundestagsabgeordneten Gerold Otte, Jan Nolte und Hannes Gnauck beim Transatlantischen Parlamentarischen Forum in Washington. Am Donnerstag, dem 11. Dezember, folgen weitere Abgeordnete.
Der Höhepunkt der Reise ist die Gala des New York Young Republican Club am Samstag, dem 13. Dezember. Zu den Teilnehmern gehören nach Angaben von Markus Frohnmaier:
- Markus Frohnmaier (stellv. Fraktionsvorsitzender, außenpolitischer Sprecher)
- Anna Rathert (Bundestagsabgeordnete)
- Jan Wenzel Schmidt (Bundestagsabgeordneter)
- Udo Hemmelgarn (Bundestagsabgeordneter)
- Alexander Wolf (Bundestagsabgeordneter)
- Diana Zimmer (Bundestagsabgeordnete)
- Micha Fehre (Bundestagsabgeordneter)
- Martin Reichardt (Bundestagsabgeordneter)
- Jan Nolte (Bundestagsabgeordneter)
Zusätzlich werden laut Frohnmaier Abgeordnete aus dem EU-Parlament sowie sechs Mitglieder aus der Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt erwartet. Insgesamt sind es rund 20 Personen. [news.de]
Der „Allen W. Dulles Award": Auszeichnung für „mutige Arbeit"
Im Zentrum der Gala steht die Verleihung des „Allen W. Dulles Award" an Markus Frohnmaier. In der Einladung, die dem Magazin Politico vorliegt und die Frohnmaier als authentisch bestätigte, heißt es, die Auszeichnung würdige „die mutige Arbeit der AfD" in einer „besonders repressiven und feindseligen politischen Umgebung in Deutschland".
Der Preis ist nach Allen Welsh Dulles benannt, dem früheren CIA-Direktor während des Kalten Krieges. Dulles organisierte unter anderem Regierungsumstürze im Iran und Guatemala. [taz]
„Der Club setzt sich für eine neue bürgerliche Ordnung in Deutschland ein, wo die Hüter einer gescheiterten liberalen Ordnung eine siegreiche AfD am meisten fürchten." — Aus der Einladung des New York Young Republican Club
Strategische Vernetzung: Die AfD sucht systematisch den Kontakt zu einflussreichen Republikanern aus dem Trump-Umfeld.
Die Agenda: Mehr als nur Networking
Die AfD-Delegation hat mehrere konkrete Ziele. In Washington will Frohnmaier gemeinsam mit Anna Rathert die republikanische Kongressabgeordnete Anna Paulina Luna treffen. Luna, die deutsche Vorfahren hat und als „Rising Star" in Trumps MAGA-Bewegung gilt, hatte bereits mehrfach AfD-Politiker empfangen und sogar Alice Weidel nach Washington eingeladen. [Tagesspiegel]
Auch Termine mit Vertretern des US-Außenministeriums werden angestrebt. Die sechs Mitglieder aus Sachsen-Anhalt haben ihre Reise laut einem Schreiben, das der Bild vorliegt, damit begründet, dass diese „auch der Vorbereitung einer möglichen Übernahme von Regierungsgeschäften in Sachsen-Anhalt" diene. Man wolle sich über „Bürokratieabbau und den Umgang mit der Ausfinanzierung von Nichtregierungsorganisationen" informieren. [Junge Freiheit]
Beatrix von Storch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, formulierte in Schwerin offen eine weitere Hoffnung: Schutz vor einem möglichen Verbotsverfahren. Sie habe das AfD-Verbot mit den Amerikanern besprochen und hoffe auf „starke Unterstützung". [t-online]
Der Kontext: Trumps Sicherheitsstrategie als Rückenwind
Die AfD-Reise findet zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt statt. Am 5. Dezember 2025 veröffentlichte die Trump-Regierung ihre neue „Nationale Sicherheitsstrategie" – ein 33-seitiges Dokument, das in Europa für erhebliche Aufregung sorgte.
Was steht in der US-Sicherheitsstrategie?
Das Dokument kritisiert Europa in ungewohnt scharfer Form. Es wirft den europäischen Regierungen vor:
- „Zensur der freien Meinungsäußerung und Unterdrückung der politischen Opposition"
- „Abstürzende Geburtenraten sowie Verlust nationaler Identitäten"
- Eine Migrationspolitik, die zu „zivilisatorischer Auslöschung" führen könne
- „Unterminierung demokratischer Prozesse"
Als Strategie formulieren die USA, man solle „den Widerstand innerhalb Europas fördern" und „patriotische europäische Parteien" unterstützen. Der „wachsende Einfluss" dieser Parteien gebe „Anlass zu großem Optimismus". [taz]
Sollten sich die aktuellen Trends fortsetzen, werde Europa „in 20 Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein", warnt das Papier. [Handelsblatt]
Was bedeutet das für die AfD?
Für die AfD kommt das Dokument zur rechten Zeit. AfD-Obmann Stefan Keuter sagte gegenüber t-online: „Ich sehe es mit einer gewissen Schadenfreude, dass die Amerikaner jetzt Pflöcke einschlagen. Wir haben die Amerikaner darauf aufmerksam gemacht und um Hilfe gebeten – diese Hilfe scheint jetzt zu kommen." [t-online]
Maximilian Krah, AfD-Bundestagsabgeordneter, schrieb auf X, die USA nutzten ihr „ganzes außenpolitisches Gewicht, um Europa vor seinen linksliberalen Eliten zu schützen". Hannes Gnauck, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD, nannte den Blick auf Europa „beeindruckend". Die Zukunft gehöre den patriotischen Parteien. [t-online]
Reaktionen: Scharfe Kritik aus Union und SPD
Während die AfD jubelt, schrillen in Berlin die Alarmglocken. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann kritisierte die Reise scharf: „Es ist mehr als bedenklich, wenn eine Fraktion die Möglichkeit der Auslandsreisen missbraucht, um im Ausland Stimmung gegen Deutschland zu machen." Diese „Anti-Deutschland-Diplomatie" sei zwar rechtlich schwer zu stoppen, doch die Bundestagsverwaltung solle alle Möglichkeiten prüfen, um einen „Missbrauch von Auslandsreisen zu verhindern". [news.de]
CDU-Außenpolitiker Knut Abraham warnte vor einem „diabolischen Zusammenwirken von AfD und Trumps MAGA-Leuten". Es sei eine klare Arbeitsteilung erkennbar: „Die AfD bekämpft die EU von innen und MAGA von außen." [Tagesspiegel]
SPD-Politiker Dirk Wiese bezeichnete die Kombination aus „Geld, Einfluss und Desinformation" als „undemokratisch und gefährlich". Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sieht in der Verbindung von AfD, Trumpisten und Tech-Oligarchen eine Gefahr für die Demokratie. [watson.de]
Die US-Perspektive: Warum unterstützt Trump die AfD?
Aus Sicht der Trump-Administration hat die Unterstützung europäischer rechter Parteien mehrere Motive:
Ideologische Übereinstimmung
Trumps MAGA-Bewegung und die AfD teilen zentrale Positionen: Skepsis gegenüber Migration, Ablehnung des politischen Establishments, Kritik an „Cancel Culture" und „Meinungszensur". US-Vizepräsident J.D. Vance hatte sich bereits während der Bundestagswahl für die AfD ausgesprochen und Alice Weidel bei der Münchner Sicherheitskonferenz getroffen. [Tagesspiegel]
Schwächung der EU
Sicherheitsexpertin Kristine Berzina vom German Marshall Fund erklärt, die Sicherheitsstrategie sei „weit mehr als ein außenpolitisches Grundsatzpapier". Sie fungiere als „Leuchtturm", der die innenpolitische Agenda beeinflusse und sei „klar im Kontext des Kulturkampfes formuliert". [ZDFheute]
Die Trump-Administration kritisiert supranationale Institutionen wie die EU, die aus ihrer Sicht „die politische Freiheit und Souveränität" untergraben. Stärkung rechtspopulistischer Parteien könnte die EU von innen schwächen. [Euronews]
Wirtschaftliche Interessen
Ein geschwächtes, fragmentiertes Europa könnte für die USA handelspolitisch vorteilhafter sein. Die Sicherheitsstrategie betont die Sicherung von Lieferketten und Wirtschaftspolitik als Prioritäten. [t-online]
Kritik in den USA: Demokraten warnen vor „Isolation"
Nicht alle in den USA begrüßen diese Strategie. Demokratische Senatoren kritisieren das Dokument scharf. Senator Chris Van Hollen schrieb auf X: „Stattdessen belehrt es unsere europäischen Verbündeten und umarmt autoritäre Führer, die die Familie Trump und ihre milliardenschweren Freunde bereichern." [taz]
Senatorin Jeanne Shaheen warnte, die Strategie basiere auf der „falschen Annahme, dass Amerika sich aus der Welt zurückziehen muss, um seine Bevölkerung im Inland zu schützen". Selbst konservative Außenpolitikexperten wie Eliot A. Cohen beschreiben das Dokument als „aufgeblasene Phrasen, Schmeicheleien, Lügen, Widersprüche und groteske Selbstwidersprüche". [t-online]
Historischer Kontext: AfD und USA – eine wachsende Beziehung
Die aktuellen Kontakte sind nicht neu, haben sich aber in den vergangenen Monaten deutlich intensiviert. Bereits im Oktober 2025 reiste eine AfD-Delegation nach New York und Washington. Bei einer Gala des Young Republican Club im Oktober sangen AfD-Politiker die erste Strophe des Deutschlandlieds („Deutschland, Deutschland über alles"), die in Deutschland aus historischen Gründen nicht mehr verwendet wird. [watson.de]
Tech-Milliardär Elon Musk führte im Januar 2025 ein 75-minütiges Videointerview mit Alice Weidel und warb offen für die AfD. Er twitterte, ohne die AfD sei Deutschland „verloren". [watson.de]
Anna Paulina Luna empfing im Frühjahr 2025 die rechtsextreme Influencerin Naomi Seibt im Repräsentantenhaus und sprach von „politischem Asyl" für die 25-Jährige. Luna behauptete, Seibt sei in Deutschland nicht mehr sicher. [watson.de]
Analyse: Was will die AfD wirklich erreichen?
Die AfD verfolgt mit ihren USA-Reisen mehrere strategische Ziele:
1. Internationale Legitimierung
Durch die Nähe zur Regierungspartei der USA erhofft sich die AfD internationale Anerkennung. Markus Frohnmaier erklärte: „Die AfD baut stabile Partnerschaften mit der republikanischen Partei, mit der Trump-Administration und all jenen, die für nationale Souveränität, kulturelle Identität und echte Sicherheitspolitik stehen." [Tagesspiegel]
2. Schutz vor Verbotsverfahren
Die AfD hofft, dass US-Druck ein mögliches Verbotsverfahren in Deutschland verhindern kann. AfD-Außenpolitiker Jan Wenzel Schmidt hofft laut Welt auf konkrete Hilfe durch Donald Trumps Außenminister Rubio oder Vizepräsident Vance. Markus Frohnmaier sagt: „Die Amerikaner werden im eigenen politischen Interesse Druck auf Kanzler Merz ausüben." [watson.de]
3. Durchbrechen der „Brandmauer"
Beatrix von Storch sieht „eine Chance, in zwei Bereichen eng mit den USA zu kooperieren: bei der Wiederherstellung der Meinungsfreiheit in Europa und der Durchsetzung der Migrationswende". Sie formuliert eine einfache Rechnung: „Wenn die AfD für ihre Positionen bei Migration, Klima, Gender und Islam als ‚rechtsextrem' ausgegrenzt wird, die sich weitgehend mit denen von Donald Trump decken, richtet sich das indirekt auch gegen ihn, das ist der Trump-Regierung natürlich klar." [Junge Freiheit]
Europäische Perspektive: Alarm in Brüssel
In der EU löste die US-Sicherheitsstrategie erhebliche Besorgnis aus. EU-Ratspräsident António Costa erklärte, die USA gingen „zu weit". Nicht akzeptabel sei die Androhung einer Einmischung von außen in die EU-Politik. Die europäischen Länder seien souverän und handelten souverän. [t-online]
Der britische Historiker Timothy Garton Ash bezeichnete die Sicherheitsstrategie im Wall Street Journal als „den ultimativen Weckruf für Europa". Europa befinde sich in einer außergewöhnlichen Lage. [t-online]
Christos Katsioulis von der Friedrich-Ebert-Stiftung schreibt im IPG Journal: „Für Regierungschefs wie Orbán oder Meloni, aber auch Parteien wie die AfD und das Rassemblement National ist die neue Sicherheitsstrategie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Ihre Agenda wird von den USA als Ziel ihrer Sicherheitspolitik erkoren, damit gewinnen sie einen extrem mächtigen Verbündeten." [IPG Journal]
Finanzierung: Wer zahlt die Reise?
Die Bundestagsabgeordneten haben ihre Reise als offizielle Delegationsreise angemeldet. Das bedeutet: Die Flüge und Hotelkosten werden vom Bundestag und damit von Steuerzahlern bezahlt. Lediglich die Tickets für die Gala zahlen die Abgeordneten nach eigenen Angaben selbst. [taz]
Dies ist rechtlich möglich, da die Reise als Kontaktpflege mit der Regierungspartei der USA begründet wird. CSU-Politiker Hoffmann fordert dennoch, die Bundestagsverwaltung solle alle Möglichkeiten prüfen, um einen „Missbrauch von Auslandsreisen zu verhindern". [news.de]
Folgen & Ausblick
Die Reise markiert einen neuen Höhepunkt in den Beziehungen zwischen AfD und US-Republikanern. Die AfD hofft, durch die transatlantische Allianz ihre Position in Deutschland zu stärken und sich der innenpolitischen Isolation zu entziehen.
Drei Entwicklungen sind dabei zentral:
Kurzfristig: Legitimierungseffekt
Die Auszeichnung für Frohnmaier und die öffentlichen Treffen mit republikanischen Kongressabgeordneten senden das Signal: Die AfD wird von der Regierungspartei der USA ernst genommen. Dies könnte Wähler ansprechen, die glauben, die Partei werde in Deutschland zu Unrecht ausgegrenzt.
Mittelfristig: Druck auf die Bundesregierung
Die AfD hofft, dass die Trump-Administration Druck auf Bundeskanzler Merz ausübt, ein mögliches Verbotsverfahren zu verhindern. Ob die USA tatsächlich so weit gehen würden, ist unklar. Bislang gibt es laut AfD-Kreisen keine festen Zusagen. [taz]
Langfristig: Systemische Veränderung
Sollte die AfD bei kommenden Landtagswahlen – etwa in Sachsen-Anhalt – tatsächlich Regierungsverantwortung übernehmen, könnte die Verbindung zu den USA eine neue Dimension bekommen. Die USA hätten dann einen direkten Partner auf Landesebene in Deutschland, der ihre Agenda teilt.
Für Europa bedeutet die Entwicklung eine grundsätzliche Herausforderung: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg versucht eine US-Regierung aktiv, rechtspopulistische Parteien in Europa zu stärken und damit die EU von innen zu schwächen. Die transatlantische Partnerschaft, über Jahrzehnte ein Fundament der westlichen Ordnung, steht damit vor einer ideologischen Zerreißprobe.
📦 Archivierte Quellen (Wayback Machine)
Alle externen Quellen wurden am 10.12.2025 beim Internet Archive gesichert:
- Tagesspiegel: AfD-Reise nach New York
- Junge Freiheit: AfD und Republikaner vernetzen sich
- news.de: CSU kritisiert AfD-Reise
- taz: US-Sicherheitsstrategie
- taz: AfD-Besuch in den USA
- t-online: Neue US-Sicherheitsstrategie
- t-online: Trumps Sicherheitsstrategie erschüttert Europa
- Handelsblatt: Sicherheitsstrategie als Gefahr für Europa
- ZDFheute: Trump-Sicherheitsstrategie und Europa
- Euronews: US-Sicherheitsstrategie Trump Europa
- IPG Journal: Amerikanische Kriegserklärung
- watson.de: AfD setzt auf Trump-Effekt
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