Kevin Kühnert wird Lobbyist – und verspricht, auch SPD-Freunde nicht zu schonen
Der Mann, der BMW vergesellschaften wollte, wird Lobbyist. Kevin Kühnert, bis Oktober 2024 Generalsekretär der SPD, ist zurück auf der politischen Bühne – aber nicht als Abgeordneter. Er wird Bereichsleiter für „Steuern, Verteilung und Lobbyismus" bei der Bürgerbewegung Finanzwende. Sein Versprechen: „Ich schone auch Parteifreunde nicht."
Zu kompliziert? 🐿️ Hier geht es zur Version „Kurz & Klar".
Vom Juso-Chef zum Lobbyisten: Kühnert verlässt die SPD und geht zur Bürgerbewegung.
Die wichtigsten Punkte
- Neuer Job: Kühnert wird Bereichsleiter bei der Bürgerbewegung Finanzwende – einer NGO, die gegen die Finanzindustrie kämpft. Focus, Dez. 2025
- Kampfansage: Bei Markus Lanz kündigte er an: „Ich schone auch Parteifreunde nicht." Das ist eine Warnung an die SPD-Spitze. FAZ, Dez. 2025
- Gesundheit: Kühnert war im Oktober 2024 aus gesundheitlichen Gründen als Generalsekretär zurückgetreten. Wikipedia
- FDP-Reaktion: Die FDP wirft Kühnert „finanzpolitischen Populismus" vor. Spiegel, Dez. 2025
- Debatte: Gibt es „guten" Lobbyismus? Kühnert sagt: Ja, wenn man für die Zivilgesellschaft kämpft.
Der Wechsel
Die Nachricht wirkte auf den ersten Blick wie Satire: Kevin Kühnert, der linke Hoffnungsträger der SPD, der Juso-Chef, der 2018 die Vergesellschaftung von BMW forderte – wird Lobbyist.
Doch Kühnert wechselt nicht zu einem Autokonzern oder einer Bank. Er wird Bereichsleiter bei der Bürgerbewegung Finanzwende.
Finanzwende ist eine NGO, gegründet von Gerhard Schick (Ex-Grüner). Sie versteht sich als Gegengewicht zur Finanzindustrie. Sie kämpft gegen Cum-Ex-Geschäfte, für Transaktionssteuern und strengere Bankenregulierung.
Für Kühnert ist das die logische Fortsetzung seiner politischen Karriere – nur ohne Parteibuch.
Die Debatte: Guter Lobbyismus vs. Drehtür-Effekt
Kühnert versucht die Waage auszugleichen – gegen die übermächtige Finanzindustrie.
Der Fall Kühnert entfacht eine spannende Debatte: Gibt es „guten" Lobbyismus?
Der klassische Drehtür-Effekt ist negativ konnotiert: Ein Politiker wechselt in die Branche, die er vorher reguliert hat, und vergoldet sein Wissen. Beispiele: Ronald Pofalla zur Bahn, Gerhard Schröder zu NordStream.
Kühnert argumentiert, sein Wechsel sei anders. Bei Markus Lanz am 11. Dezember verteidigte er sich vehement:
„Ich möchte aktiv dazu beitragen, dass dieses Mammutprojekt gelingt." – Kevin Kühnert bei Markus Lanz
Seine These: Wenn die Finanzindustrie Millionen für Lobbying ausgibt, braucht die Zivilgesellschaft Profis, die die Mechanismen der Macht kennen, um dagegenzuhalten. Es geht um Waffengleichheit.
Die Kampfansage an die SPD
Der brisanteste Moment des Lanz-Interviews war Kühnerts Ankündigung:
„Ich schone auch Parteifreunde nicht." – Kevin Kühnert
Das ist eine Kampfansage an die SPD-Spitze. Die Sozialdemokraten stellen in der Großen Koalition den Arbeitsminister (Bärbel Bas) und sind an der Regierung beteiligt. Wenn die GroKo faule Kompromisse mit der Finanzindustrie macht – Kühnert wird es öffentlich machen.
Für die SPD-Spitze um Lars Klingbeil ist das gefährlich. Ein Kevin Kühnert, der von außen mit der Glaubwürdigkeit des Ex-Generalsekretärs gegen „Verrat an sozialdemokratischen Werten" wettert, kann mehr Schaden anrichten als jeder Oppositionsredner.
Die Gesundheit: Der Grund für den Rückzug
Kühnert war im Oktober 2024 aus gesundheitlichen Gründen als Generalsekretär zurückgetreten. Er sprach offen über die physische und psychische Belastung des Amtes.
Bei Lanz wirkte er erholt – und politisch befreit. Ohne Parteibuch, ohne Koalitionsdisziplin, ohne Rücksicht auf Wahlergebnisse kann er jetzt sagen, was er denkt.
Das macht ihn gefährlicher für die SPD, aber auch authentischer für seine Anhänger.
Die Reaktionen: FDP tobt
Die FDP reagierte prompt und allergisch. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warf Kühnert vor, schon wieder „finanzpolitischen Populismus" zu betreiben.
Für die Liberalen ist Finanzwende kein „Gegengewicht", sondern eine linke Vorfeldorganisation, die den Wirtschaftsstandort schlechtredet und Innovation behindert.
In der SPD herrscht betretenes Schweigen. Offiziell gratuliert man, inoffiziell fürchtet man die „Nervensäge vom Dienst", die nun nicht mehr an Parteidisziplin gebunden ist.
Was Finanzwende will
Die Organisation hat klare Ziele:
- Cum-Ex-Aufarbeitung: Rückholung von Milliarden, die durch Steuerbetrug verloren gingen
- Finanztransaktionssteuer: Besteuerung von Wertpapierhandel
- Strengere Bankenregulierung: Höhere Eigenkapitalquoten, Begrenzung von Boni
- Transparenz: Offenlegung von Finanzströmen und Lobbyismus
Mit Kühnert gewinnt Finanzwende ein Medienprofil. Er kann das Thema in Talkshows bringen, wo sonst nur Banker und Wirtschaftsverbände sitzen.
Ausblick: Der Außenparlamentarier
Kevin Kühnert positioniert sich als außerparlamentarische Kontrollinstanz. Er will der Stachel im Fleisch der Regierung sein – auch seiner eigenen Partei.
Das ist riskant. Wenn er zu laut wird, könnte die SPD ihn als „Nestbeschmutzer" brandmarken. Wenn er zu leise bleibt, wird er irrelevant.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob Kühnert die Balance findet – zwischen effektivem Druck und politischer Selbstmarginalisierung.