Analyse: Sicherheitsrisiko AfD? Der Streit um die 7.000 Anfragen
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Parlamentarische Kontrolle oder Dienstleistung für Moskau? Die Vorwürfe wiegen schwer.
Es ist einer der schärfsten Vorwürfe, die man einer Oppositionspartei machen kann: Verrat. In der Generaldebatte am 26. November 2025 attackierte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese die AfD frontal. Sie nutze ihre parlamentarischen Rechte nicht zur Kontrolle der Regierung, sondern zur Ausspähung sensibler Daten für Russland und China. Was ist dran an dem Vorwurf?
Die zentrale Zahl: 7.000 Anfragen
Dirk Wiese (SPD) nannte in der Generaldebatte eine konkrete Zahl, die aufhorchen lässt: 7.000 sicherheitsrelevante parlamentarische Anfragen habe die AfD-Fraktion gestellt. [Bundestag-Protokoll]
Diese Zahl bezieht sich auf Anfragen zu sensiblen Themen wie:
- Details zu kritischer Infrastruktur (Stromnetze, Wasserwerke, Pipelines)
- Militärische Logistik und Truppenbewegungen
- Sicherheitsvorkehrungen in öffentlichen Gebäuden
- Standorte und Kapazitäten von Bundeswehr-Einrichtungen
Der Vorwurf: „Löcher im Schiff Deutschland"
Wiese griff die „Titanic"-Metapher auf, die AfD-Chefin Weidel zuvor verwendet hatte, und drehte sie gegen die AfD:
„Die große Herausforderung für das Schiff Deutschland ist aber, dass es Menschen im Maschinenraum gibt aus ihrer Partei, die versuchen Löcher in das Schiff Deutschland reinzuhauen, weil sie nicht deutsche Interessen vertreten, sondern russische Interessen vertreten." — Dirk Wiese (SPD), Generaldebatte 26.11.2025 [📺 00:36:21]
Der Vorwurf ist unmissverständlich: Die AfD nutze ihre Parlamentsrechte nicht zur Kontrolle der Regierung, sondern als Informationskanal für feindliche Mächte.
Das Instrument: Die „Kleine Anfrage"
Grundsätzlich ist die Kleine Anfrage eines der wichtigsten Werkzeuge der Opposition. Sie zwingt die Regierung, Rechenschaft abzulegen. Tausende solcher Anfragen werden pro Legislaturperiode gestellt – das ist normal und demokratisch wichtig. [Bundestag-Glossar]
Doch Sicherheitsexperten beobachten seit Längerem eine Auffälligkeit bei der AfD: Die Detailtiefe bei sicherheitsrelevanten Themen ist ungewöhnlich hoch. Während andere Parteien beispielsweise nach der allgemeinen Lage der Bundeswehr fragen, fordert die AfD oft exakte Standortdaten, Personalstärken oder Einsatzpläne.
Zwischen Transparenz und Geheimschutz: Die Regierung muss oft abwägen, was sie beantworten darf.
Der Kontext: Echte Spionage-Affären
Der Vorwurf fällt nicht in einen leeren Raum. In den letzten Monaten gab es mehrere Skandale um AfD-Mitarbeiter und Politiker:
Fall Krah: Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah wurde wegen Spionageverdachts für China festgenommen. Das Verfahren läuft. [Tagesschau]
Fall Bystron: Gegen den Abgeordneten Petr Bystron wurde wegen möglicher Geldzahlungen aus einem pro-russischen Netzwerk („Voice of Europe") ermittelt. Der Bundestag hob seine Immunität auf. [Spiegel]
Diese Vorfälle nähren den Verdacht, dass die Grenzen zwischen parlamentarischer Arbeit und Einflussnahme fremder Mächte bei Teilen der AfD fließend sind.
Die Reaktion der AfD
Die AfD weist die Vorwürfe empört zurück. Sie sieht darin ein Ablenkungsmanöver der Regierung, um von eigenen Fehlern abzulenken und die Opposition zu diskreditieren. Die Anfragen seien notwendig, um Missstände aufzudecken und die Regierung zu kontrollieren – genau das sei ihr Job als Opposition.
AfD-Chefin Alice Weidel ging in ihrer Rede nicht direkt auf die Vorwürfe ein, betonte aber, dass die AfD „die einzige Partei" sei, die deutsche Interessen vertrete – im Gegensatz zur „Ukraine-Lobby" in der Regierung. [→ Weidels Rede im Detail]
Das Dilemma der Regierung
Für die Sicherheitsbehörden bleibt es ein Dilemma: Sie müssen der Opposition antworten – das ist demokratische Pflicht. Aber sie wollen keine Staatsgeheimnisse preisgeben. Die Lösung: Oft bleiben Antworten vage oder werden als „VS-VERTRAULICH" (Verschlusssache) eingestuft.
Das wiederum nutzt die AfD als Beweis für angebliche Vertuschung: „Warum will die Regierung nicht antworten? Was wird verheimlicht?"
Fazit: Ein schmaler Grat
Beweise, dass Antworten auf Kleine Anfragen direkt nach Moskau oder Peking fließen, legte Wiese nicht vor. Doch der politische Schaden ist angerichtet. Die Debatte zeigt, wie sehr das Vertrauen in die Integrität des Parlaments gelitten hat.
Was bleibt: Die Zahl 7.000 steht im Raum. Ob sie ein Zeichen für besonders fleißige Oppositionsarbeit ist – oder für systematische Ausforschung – wird Gegenstand weiterer Debatten sein.
Kanzler Merz bezog in derselben Debatte klar Position zur außenpolitischen Ausrichtung:
„Es gibt in diesem Konflikt nur einen Aggressor." — Bundeskanzler Friedrich Merz, Generaldebatte 26.11.2025 [📺 00:54:45]
Wer auf der anderen Seite dieses Konflikts steht, so die implizite Botschaft, hat im deutschen Parlament nichts verloren. [→ Merz' komplette Rede]